Über SUICIDE COMMANDO muss man heute nicht mehr viele Worte verlieren. Das Projekt des Belgiers Johan van Roy ist eines der dienstältesten der heutigen Electro/Industrial-Szene. Musik macht Johan seit 1986. Im gleichen Jahr erfolgte dann bereits der erste Tape-Release von Suicide Commando. Mittlerweile kann Johan auf die stattliche Anzahl von neun Tape-Veröffentlichungen zurückblicken. Dies war wohl auch der Anlass, in diesem Jahr eine Compilation unter dem Titel "Chromdioxyde 1" auf den Markt zu bringen. Auf dieser Zusammenstellung befinden sich zahlreiche rare oder ganz vergriffene Tracks aus seinen Anfängen, und dass diese CD zum Pflichtprogramm jedes Suicide Commando-Fans gehört muss hier wohl nicht näher erwähnt werden. Einen Namen konnten sich Suicide Commando auch durch Veröffentlichung diverser Samplerbeiträge machen. Ganz besonders möchte ich euch die leider schon vergriffene "Induktion, Varianz und deren Folgen"-Compilation ans Herz legen, die drei der besten Tracks aus ihren Anfangszeiten enthält. Im Jahr 1994 erhielten Suicide Commando dann die Möglichkeit, ihre erste CD beim deutschen OFF BEAT-Label zu veröffentlichen. Dieser Release enthält neben dem erstklassigen "Fate" auch einen von Dirk Ivens (Dive/Sonar) gesungenen Track. 1995 holten Suicide Commando dann zum großen Streich gegen die etablierten Electrobands aus. Mit dem zweiten Album "Stored images" veröffentlichten sie ihr bis heute erfolgreichstes Album, welches den absoluten Szenehit "See you in hell" enthält. Dieses Stück zählt jetzt noch zum Standardprogramm eines jeden DJs. Im folgenden Jahr hatten Suicide Commando dann die Ehre, das zehnjährige Bandbestehen zu feiern. Aus diesem Anlass wurde die "Contamination"-CD bzw. Box veröffentlicht. Die letzte reguläre CD erschien dann 1998 unter dem Titel "Construct-Deconstruct" und enthielt mit "Desire" und "Better off dead" wieder zwei Stücke, die sich in den Diskotheken ohne Probleme durchsetzten konnten. Man sieht, dass Johan van Roy schon jetzt auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken kann. Dies war für uns Grund genung ein Interview mit ihm zu führen.

Nox Obscura: Wann können wir mit neuem Material von Suicide Commando rechnen und kannst du jetzt schon sagen in welche Richtung es sich bewegen wird?

Johan: Das neue Album ist für das Frühjahr 2000 geplant. Allerdings wird es schon Anfang des Jahres eine Single geben. Momentan ist es noch sehr schwer zu sagen, in welche Richtung sich das neue Material bewegen wird. Ich denke aber, dass es extremer als die alten Sachen ausfallen wird. Lasst euch überraschen.

NO: Möchtest du mit deiner Musik etwas bestimmtes ausdrücken bzw. vermitteln?

Johan: Nein, nicht wirklich... In erster Linie mache ich meine Musik aus Spaß. Ich mache einfach die Musik die ich mag. Das ist alles.

NO: Wie wichtig sind dir dabei die Texte?

Johan: Meine Texte haben über die Jahre immer mehr an Bedeutung für mich gewonnen, obwohl ich meine Stimme in erster Linie als ein zusätzliches Instrument betrachte. Wie auch immer, ich möchte nicht wie so viele andere Bands unnütze Texte schreiben. Manchmal kann man mit wenigen Worten mehr sagen als mit tausend hohlen.

NO: Gehe ich recht in der Annahme, dass dich vor allem belgische Gruppen wie The Klinik, Vomito Negro oder Insekt beeinflusst haben?

Johan: Ganz besonders The Klinik haben mich und meine Musik extrem beeinflusst. Ich habe ihre Musik immer geliebt. Deshalb finde ich es ganz normal, dass sie mich irgendwie geprägt haben. Sogar heute noch bin ich von Bands wie The Klinik oder Insekt beeinflusst.

NO: Vor einigen Monaten hast Du eine Compilation unter dem Titel "Chromdioxyde 1" mit Stücken aus der Anfangszeit von Suicide Commando veröffentlicht. Früher war die Szene ja sehr viel kleiner und überschaubarer. Leider ist heute vieles zum reinen Geschäft verkommen. Denkst du manchmal wehmütig an die gute alte Zeit zurück?

Johan: Ich möchte es nicht "nostalgisch" nennen, aber ich mag diese Anfangszeiten und die alte Tape-Szene auch heute noch sehr. In mancher Hinsicht bedauere ich die Entwicklung der letzten Jahre. Die Quantität der Veröffentlichungen hat definitiv stark zugenommen, die Qualität dafür leider abgenommen.

NO: Wie stehst Du zu den Vorwürfen Deine Musik sei altmodisch?

Johan: Das stört mich überhaupt nicht. Lass die Leute sagen was sie wollen. Ich mache die Musik die ich mag. Zur Hölle mit all denen, die meine Sachen nicht mögen. Ich werde jedenfalls auf keinen Trendzug, wie Drum & Bass oder Techno, aufspringen nur um "in" zu sein. So etwas widert mich an. Ich ziehe einfach mein Ding durch. Natürlich freut es mich, wenn Leute meine Musik mögen oder sich sogar mit ihr und den Texten identifizieren können. Aber das zu erreichen ist nicht meine Hauptintention.

NO: Die "Construct-Deconstruct" ist meines Wissens die zweite CD von Dir, die auch in den USA veröffentlicht wurde. Wie sind die Reaktionen im Vergleich zu Europa?

Johan: Die Reaktionen dort sind nicht großartig anders als hier. Die CD lief sehr gut in den Staaten. Sie erreichte sogar Platz 7 der CMJ-Charts (US-Pendant zu den deutschen DAC). Das ist ein guter Erfolg, wenn man bedenkt, dass wir dort mit Possessive Blindfold Recordings ein sehr kleines Label haben.

NO: Du remixt seit einiger Zeit viele andere Künstler. Unter welchem Aspekt siehst Du diese Arbeiten?

Johan: Zuerst einmal macht es mir sehr viel Spaß Remixe für andere Bands zu erstellen. Es ist etwas völlig anderes als der übliche Songwriting-Prozess, der nach einiger Zeit langweilig werden kann. Außerdem mag ich es sehr, einen Song von jemand anderen in meinen Stil umzuwandeln.

NO: Wird es in Zukunft wieder Nebenprojekte von Dir geben?

Johan: Wenn ich die Zeit dafür finde, auf jeden Fall. Ich plane die Wiederaufnahme meines Toxic Shock Syndrome-Projektes. Allerdings mit anderer Besetzung und verändertem Stil. Weiterhin hoffe ich mehr Stücke für mein db.F-Projekt, zusammen mit David Kirvel von Pierrepoint, machen zu können.

NO: Wie wird die Live-Zukunft von Suicide Commando aussehen?

Wann können wir wieder mit einer ausgedehnten Tour rechnen? Johan: Eine neue Tour ist erst nach der Veröffentlichung des neuen Albums geplant, also wahrscheinlich Mitte 2000. Wie auch immer. Wir werden in der nächsten Zeit vermehrt Einzelgigs geben.

NO: Letztes Jahr warst Du mit den meiner Meinung nach völlig überschätzten Velvet Acid Christ auf Tour. Wie kamst Du eigentlich mit Bryan Erickson zurecht?

Johan: Zu dieser Zeit hatte Bryan gerade sein Electric Death Trip-Label am laufen. Er entschied sich, die "Contamination" EP für die USA zu lizenzieren. Und von da an kam eins zum anderen. Die Grundidee für eine gemeinsame Tour kam damals von Stefan Herwig (ex-Off Beat). Insgesamt gesehen, war es eine nette Erfahrung. Wir bekamen gute Resonanzen und es hat wirklich Spaß gemacht. Bryan ist ein wirklich verrückter aber auch sehr cooler Typ.

NO: Du hast Ende letzten Jahres Off Beat verlassen und bist zum neu gegründeten Label Dependent gewechselt. Bist Du mit diesem Wechsel zufrieden und was hat sich für Dich dadurch verändert? Es gehen ja Gerüchte um, dass Labelchef Stefan Herwig seine ganze Arbeit auf die Bands VNV Nation und Covenant konzentriert und das dadurch die anderen Bands zu leiden haben.

Johan: Ich gebe wirklich nichts auf Gerüchte. Bis jetzt bin ich mit Stefans Arbeit sehr zufrieden. Ich kenne ihn schließlich eine ganze Zeit. Durch den Labelwechsel hat sich praktisch gar nichts für mich verändert, da Dependent meinen Vertrag von Off Beat übernommen hat.

NO: Du hast ein eigenes Label mit dem Namen COde. Begonnen hat dort alles mit einigen Tape-Releases. Mittlerweile bringt Ihr auch vereinzelt CDs heraus. Bist Du mit der Entwicklung von COde zufrieden?

Johan: Ich wünschte ich könnte mehr Energie für COde aufbringen, weil es wegen meiner geringen Zeit wohl ein kleines Label bleiben wird. Wie auch immer. Es ist nicht mein Hauptziel COde zu einem großen Label zu machen. Ich möchte einfach neuen und unbekannten Musikern die Chance geben, ihr Material ohne Zeitdruck und künstlerische Einschränkungen zu präsentieren.

NO: Heutzutage bekommt fast jedes mehr oder minder durchschnittliche Electroprojekt einen Plattenvertrag. Die meisten dieser Veröffentlichungen kann man getrost ungehört übergehen. Gehe ich recht in der Annahme, dass Deine gezielten Tape-Veröffentlichungen den Bands die Möglichkeit geben sollen sich langsam zu entwickeln und zu reifen, um dann mit einer gewissen Qualität eine CD-Veröffentlichung zu erhalten?

Johan: Genau dies ist mein Hauptanliegen mit COde. Mit Suicide Commando hatte ich die Zeit als Künstler zu wachsen. Ich denke das ist sehr wichtig. Schau dir die anderen großen Namen wie Front Line Assembly an. Die haben ihre Karriere auch in der Tape-Szene gestartet.

NO: Was können wir in Zukunft noch von Code erwarten? Ich habe gehört, dass die Veröffentlichung eines deutschen Projektes mit dem Namen "Ideenflucht" ansteht. Die Beschreibung hört sich ziemlich interessant an.

Johan: Ja, ein "Ideenflucht"-Tape ist in Planung. Aber ich denke es wird noch eine gewisse Zeit bis zur Veröffentlichung vergehen, da einige Stücke noch nicht komplett fertiggestellt sind. Lasst euch überraschen. Weiterhin plane ich eine Tape-Compilation mit dem Titel "deCOder" die ausschließlich neue und unbekannte Bands aus der ganzen Welt präsentieren wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

Bericht + Interview: S.G.

www.geocities.com/~scommando