Front Line Assembly vs. Velvet Acid Christ

Front Line Assembly

Implode

(Zoth Ommog / Connected)

Velvet Acid Christ

Fun with knives

(Dependent / SPV GmbH)

Nox Obscura 01/2000

In den 80er Jahren bildeten Front Line Assembly neben Front 242 und Nitzer Ebb die Speerspitze der sogenannten Electronic Body Music. Der unnachahmliche Sound dieser Bands rief Anfang der Neunziger unzählige Epigonen auf den Plan. Aber keine andere Gruppe hat die Klasse dieser Acts bis heute erreichen können. In den letzten Jahren schickt sich aber eine Electroformation aus den Staaten an, ihrem großen Vorbild Front Line Assembly zumindest in kommerzieller Hinsicht den Rang streitig zu machen. Die Rede ist von Velvet Acid Christ, die 1996 mit "Futile" einen richtigen Szenehit landen konnten und jetzt ihr viertes Album in Deutschland veröffentlichen. Und da in diesen Tagen auch ein neues Front Line Assembly-Album in den Regalen steht, bietet sich ein direkter Vergleich dieser Acts geradezu an. Beide Bands gehen mit ihren aktuellen Alben neue Wege. Sie versuchen mal mehr und mal weniger gelungen neue Stile in ihrem Sound zu verarbeiten. FLA sind mit "Implode" weitestgehend zu ihrem alten Stil zurückgekehrt. Sie verarbeiten zwar wieder einige Techno- und Breakbeatelemente, doch vermeiden sie es wie beim völlig misslungenen Vorgängeralbum "Flavour of the weak" eine reine Technoplatte zu machen. Vielmehr gelingt ihnen auf "Implode" eine perfekte Verschmelzung ihres typischen Stils mit modernen Danceelementen. Dieser Tonträger zeigt ganz klar, dass es FLA wie keine andere Electroformation vermag, verschiedene Stile auf einzigartige Weise zu verbinden. Das haben sie nicht nur mit "Millennium" und "Hard wired" belegt, sie beweisen es auch auf "Implode". Neben erstklassigen Dancetracks wie "Fatalist" und "Torched" befinden sich auch zwei phantastische Instrumentaltracks auf diesem Release. Und dass Mastermind Bill Leeb ein sehr viel besserer Komponist als Bryan Erickson von Velvet Acid Christ ist, beweisen Songs wie "Prophecy" und "Falling", die es mit Leichtigkeit schaffen sämtliche Stücke von "Fun with knives" zu übertreffen. Die Refrains dieser Stücke fräsen sich förmlich in die Gehörgänge. Velvet Acid Christ bieten auf "Fun with knives" eine Mischung aus Electro im Stile alter Front Line Assembly-Platten und Goa-Trance. Gegenüber dem äußerst schwachen Vorgängeralbum "Calling ov the dead" kann man zwar eine musikalische Steigerung feststellen, doch hält sich diese leider in Grenzen. Ob es Bryan Erickson je lernen wird einen richtigen Song zu schreiben, der auch mal im Kopf des Hörers hängen bleibt, möchte, ich an dieser Stelle mal bezweifeln. Sämtliche Stücke des Albums bestehen aus einer blossen Aneinanderreihung von zugegeben sehr liebevoll designten Sounds und Flächen, allerdings ohne jeden Wiedererkennungswert. Völlig misslungen sind die goaorientierten Tanzstücke, die ohne jeden Höhepunkt vor sich hin brettern. Im Bereich des Goa-Trance gibt es da wesentlich bessere Sachen. Alle Leute die diese Velvet Acid Christ-Stücke für die absolute Erleuchtung halten, sollten sich lieber mal Goa-Projekte wie Zodiac Youth, Astral Projection usw. zu Gemüte führen. An deren Klasse wird der gute Bryan Erickson niemals heranreichen. Die reinen Electronummern sind leider auch nicht viel gelungener. Mit Ausnahme vom sehr ruhig gehaltenen "There is no god", welches man als richtig nett bezeichnen kann. Dieses Stück bildet aber den einzigen positiven Aspekt auf der Platte, die auch von endlos langen Sprachsamples nicht gerettet werden kann. Einen Strafpunkt gibt es dann noch zusätzlich für das "Testure"-Sample. An so einem Skinny Puppy-Stück sollte man sich besser nicht vergreifen. Den direkten Vergleich der beiden Bands können Front Line Assembly ganz klar für sich entscheiden. Sie können der Electroszene zwar keinen Meilenstein mehr vorlegen, aber mit "Implode" deutlich beweisen, dass mit ihnen noch zu rechnen ist. Musikalisch steckt man Bands wie Velvet Acid Christ oder Wumpscut jedenfalls noch locker in die Tasche. Verkaufstechnisch werden Velvet Acid Christ natürlich die Nase vorn haben, denn heutzutage ist ein Image wichtiger als die Musik. Das allein rechtfertigt für viele schon den Kauf einer CD. All denen, die sich einreden, was für ein Wunderwerk sie sich mit "Fun with knives" zugelegt haben. Viel Spaß dabei.

S.G.